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Interview: "Manche Leistungen werden nicht ausgeschöpft"
Das Thema Pflege sollte Jung und Alt gleichermaßen beschäftigen - Petra Hybner vom Pflegestützpunkt erklärt
20. August 2018
Biberach - Was tun, wenn die Eltern alleine nicht mehr können oder gar zum Pflegefall werden? Wie bereite ich mich darauf vor? Antworten auf diese Fragen gibt die Pflegepädagogin Petra Hybner. Sie berät Betroffene am Pflegestützpunkt im Landratsamt des Landkreises Biberach. Diesen gibt es erst seit Beginn dieses Jahres. Im Interview mit Volontärin Birga Woytowicz spricht Hybner über Irrtümer in der Pflege und erklärt, warum man schon als junger Erwachsener vorsorgen sollte.
Vor seiner Installation war der Pflegestützpunkt jahrelang umstritten. Spüren Sie jetzt, rund sieben Monate nach seiner Einrichtung, einen Bedarf?
Der Bedarf ist da. Das zeigen die Zahlen. Wir dokumentieren alle Fälle. Seit Januar sind bei uns insgesamt rund 600 Anfragen eingegangen und jeden Monat kommen weitere hinzu. Viele schauen auch spontan rein, wenn sie am Gebäude vorbeilaufen. Die meisten Anfragen kommen direkt aus Biberach, aus den anderen Kreisgemeinden sind es deutlich weniger. Uns kennt noch nicht jeder. Wir müssen und werden uns in den Städten und Gemeinden noch besser vorstellen.
Wer kommt denn zu Ihnen?
Es sind vor allem Angehörige, die sich Gedanken machen und Hilfe suchen. Teilweise wohnen die aber weit weg. Das Problem dabei ist, dass die Angehörigen den Handlungsbedarf mitunter zu spät erkennen. Manchmal muss leider erst etwas passieren, bevor die Betroffenen selbst die Hilfe annehmen. Gerade die Generation 80 plus lässt ungern Fremde ins Haus, weil sie immer alles selbst gemacht hat. Da tasten wir uns langsam vor. Wir machen deshalb auch gelegentlich Hausbesuche. Grundsätzlich ist eine persönliche Beratung immer besser als am Telefon: Man muss den Menschen Infomaterial zeigen und auch was zum Nachlesen an die Hand geben. Das Thema Pflege ist sehr komplex.
Wann ist also der richtige Zeitpunkt für eine Beratung?
Am besten vor Eintritt der Pflegebedürftigkeit, denn dann kann man in Ruhe alle Möglichkeiten ausloten und besprechen. Wer einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung stellt, muss zum Beispiel zwischen einer Pflegesachleistung und Geld wählen. Bereits hier bedarf es einer Beratung, denn die Unterschiede sind in der Regel nicht bekannt. Das Thema Pflege kann aber jeden treffen. Anhaltspunkte sind aber nicht bloß das Alter oder Vorerkrankungen. Wir geben zum Beispiel eine Vorsorgemappe mit wichtigen Infos und Musterformularen aus. Die hat am besten schon jeder 18-Jährige. Darin sind zum Beispiel auch Vorlagen für eine Vollmacht oder Patientenverfügung enthalten. Gerade die Vollmacht ist ein wichtiges Thema: Wenn der Betroffene selbst nicht mehr kann, wer kann dann einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit stellen? Das kann man nicht früh genug regeln.
Das Thema Pflege betrifft also Jung und Alt gleichermaßen. Gibt es sonst noch irgendwelche Irrtümer, die sich bei Ihren Beratungen auftun?
Manche Leistungen aus der Pflegekasse sind unbekannt und werden dadurch nicht ausgeschöpft. Dazu zählt zum Beispiel der Entlastungsbetrag. Der deckt vor allem hauswirtschaftliche Hilfen ab. Viele wissen auch nicht, dass die Tagespflege eine zusätzliche Leistung ist, oder dass man auch Kurzzeit- oder Verhinderungspflege in Anspruch nehmen kann, wenn man eine stationäre Pflege abwenden möchte. Vereinzelt gibt es auch Leute, die glauben, dass die Pflegekasse alles übernimmt, sogar eine 24-Stunden-Pflege. Aber das ist unmöglich. Man muss klarstellen: Die Pflegeversicherung bietet Teilleistungen.
Reicht eine Pflegeversicherung denn aus?
Präventiv, ja. Sie hilft auf alle Fälle, in der Häuslichkeit bleiben zu können, solange es geht. Braucht es aber einen dauerhaften Platz im Pflegeheim, dann reicht sie nicht allein aus. Wenn kein Vermögen vorhanden ist, kann man beim Sozialamt auch die Hilfe zur Pflege beantragen. Insgesamt ist das aber eine
Frage des Einzelfalls.
Welche Erkrankung liegt vor und welche Pflegeleistung beziehungsweise geeigneten Leistungsanbieter gibt es?
Geben Sie einen Überblick oder vermitteln Sie auch direkt?
Wir haben eine Lotsenfunktion. Das heißt, wir zeigen verschiedene Möglichkeiten auf, die Angehörigen nehmen die Organisation aber in der Regel selbst in die Hand. Sind Angehörige überfordert, helfen wir da natürlich. Bei Detailfragen verweisen wir auf andere Stellen. Wir können nicht in allem Experten sein. Teils begleiten wir Fälle über Monate. Da rufe ich dann auch an und erkundige mich, wie es läuft. Es ist für uns wichtig zu wissen, was funktioniert und was vielleicht auch nicht.